Panasonic

Frontpage 5.06, Februari 1996

Es gibt keinen Zufall in unserem Leben. Stattdessen fließen lediglich Informationen und Fehlinformationen. Sie lösen Verwunderung, ja Erstaunen aus und täuschen Sinne und Gemüt.Manche beherrschen die Kunst, diese Schwingungen des Alltags in ihrem Werk zu integrieren.

Als Tommi Grönlund & Ilpö (sic) ihr Deutschland-Debut 1993 im dem kleinen Berlin-Mitte-Club Elektro gaben, ereilte sie eine jener nachhaltigen Begebenheiten. Eine >>zufällig<< entdeckte Panasonic-Leuchtreklame des dort umtriebigen Logokünstlers Daniel Pflum brachte sie auf ihren zukünftigen Projektnamen. Die so kurzer Hand entstandenen Panasonic bestehen aus Mika Vaino (sic), Sami Salo und Ilpö (sic) Valsanen (sic) und sind eins von sechs verschiedenen Projekten auf dem finnischen Label Sähkö. Über ihre Sakhö(sic)-Platte hinaus bekannt geworden, sind sie durch die kürzlich auf Mutes Sublabel Blast First veröffentlichte 4fach-10"-Box und die damit verbundene England-Tour.

Ihre Auftritte auf der Insel führten zu Unverständnis und kleineren Auseinandersetzungen mit dem Publikum. Es kam zu Gröhlereien, die drei sollten schneller spielen und diverse Daumen reckten sich Neromäßig nach unten. Aggressive äußerungen von interviewten Clubbern in der englichen Presse war die Folge. Im Vergleich dazu verlief die kleine Deutschland-"Tour" (nur drei Gigs) ohne Zwischenfälle. Im Gegenteil: Panasonic wurden regelrecht gefeiert. Waren die englischen Clubs einfach nur falsch ausgesucht?

Die Musik von Panasonic ist weder eine Alternative zum Abgeh-Techno, noch ist es experimentelle E-Musik für Homelistener. Panasonic kann genauso stringente, nach vorne losgehende Sounds bedeuten, wie auf der Stelle treten, sichscheinbar selbst beobachten. Es ist eine subtile und abstrakte Art der Verbalisierung, die auf feinen Modulationen, Interaktion und einer Geschmacks-sicherten Position basiert. In ihrer brachialsten Form ist sie ebenso genießbar wie z.B.minimalistische Stücke auf Baby Fords Label I-Fach.

Panasonic ist keine funktionslose Musik, sie versteckt sich nicht hinter einer Anhäufung von scheinbar nicht zusammengehörenden Fragmenten, sondern schafft den Übergang anhand von nach vollziehbaren, sich aus sich selbst herausentwickelnden Stücken. Man scheut sich nicht, eine schöne Frequenz einfach nackt und expositiv in den Raum zu stellen. >Ihre Roots? Vielleicht die groovigsten Momente der spanischen Industrial Band El Splendio Geometrico, verbunden mitder inneren Ruhe des Dub Reggae und dem sensiblen Noise Schifting Hafler Trios. Acid war für sie '87 ebenso wichtig und willkommene Inspiration, den Groove-Faktor in einer abstrakte Form darzustellen. Panasonic bedeutet Abstraktheit und Mut, der Raver und Rezipienten immer wieder zum Stolpen bringt. >Ist es die Radikalität ihres Minimalkonzepts? >Sindes all die Rip Offs von Jeff Mills oder Rob Hood Rip Offs, die dem Raver von nebenan das Leben schwer machen? Das englische Magazin "Jockey Slut" verglich sie mit Kühlschränken. Eine Selbstentlarvung; reduzieren sie doch die Musik Panasonics auf ein exotisches, eindimensionales Bild von knisternder Elektronik. Das bei ihren Gigs Sähkö-Labelmanager Tommi Grönlund, vor und anschließend Deep House spielt, mag dazu beitragen. Warum eigentlich nennt man diese Musik nicht einfach Modern Trance und vergißt den übrigen Kontext?

Ihre Deutschland-Auftritte finden in ausgewählten Clubs und Kellern (Ultraschall/München, Kunstwerk/Köln, Panasonic/Berlin) statt und stehen somit unter einem guten Stern. Im Berliner Panasonic treffe ich ex-Elektro-Macher Daniel Pflum, der seine neuen Videos vorstellt. Er wird das Video für Mika Vainos (sic) neue Platte machen. Wiederum will es der Zufall, daß einige Landsleute von Panasonic anwesend sind, die entsprechend Stimmung verbreiten. Ein Finne, der in Berlin seine Dissertation schreibt, erzählt mir beiläufig, daß alle Stücke von Panasonic, zuhause in seiner Sauna entstehen, in der man sich noch spät trifft, um sich nackt mit Schneebällen zu bewerfen. Ja, ja, die Nordländer...

Visuell erinnern Panasonic an LFO. Fast emotionslos stehen sie hinter den Geräten; trotzdem merkt man die Anspannung. Mika Vainos (sic) bewegt sich wie in Zeitlupe und sein versteinertes äußeres wirkt Renntier-gleich. Seine Ausstrahlung verstömt Sanftmut und Weisheit. Ilpo wirkt dagegen fast jugendlich, auch wenn er die Stimme eines Seemans hat. Beide arbeiten äußert konzentriert. Manche Einstellungen sind schriftlich auf mehreren Blättern Papier festgehalten. Ihre Handgriffe wirken jedoch professionell und selbstsicher. Optisch unterstützt wird ihr Set von einem selbstgebauten Ozsiloscope, das die Impulse der Geräte auf einen schwarzen Testbalken überträgt. Zu Anfang schwingt der Balken nur leicht, scheint aus der Hüfte heraus zu grooven, bis die Bassdrum einsetzt und ihm wie mit der Faust in den Magen schlägt. Das Bild bekommt einen fast comichaften Charakter. Als alle Geräte in full effect sind, wird aus dem Balken die berühmte "flüchtende römische V". Das Publikum nimmt dies euphorisch zur Kenntnis. Die Musik taucht auf und verschwindet, in der sich bewegenden Masse des Panasonics. Das ganze hat etwas von einer großen Familienparty, jeder trägt ein Schmunzeln auf dem Gesicht.Man ist sich sicher: Panasonic sind ganz groß.

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